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Erfolgsfaktoren der Top-Versicherer: Mehr Leads, höhere Konversionsraten, effizientere Betreuung
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Auf einen Blick

In den letzten Jahren erlebten viele Versicherungsunternehmen einen Rückgang bei Bestandskunden und Vermittlern. Es stellt sich die Frage, ob der klassische Vertriebsweg der Ausschließlichkeit noch zukunftsfähig ist oder von hybriden Vertriebslösungen abgelöst wird.

Das achte Bain-Vertriebsbenchmarking offenbart: Führende Versicherer konnten die Produktivität ihrer Ausschließlichkeitsorganisation zuletzt sogar steigern, was zum höchsten Bestandswachstum seit 2014 führte. In diesem Interview erklären die Bain-Partner und Autoren Ingo Janisch und Dr. Malte Reineke, welche wesentlichen Faktoren zu diesem Erfolg beigetragen haben.

Wie unterscheiden sich die produktivsten Versicherer von der Konkurrenz?

Ingo Janisch: Das Produktivitätsniveau der Top-3-Versicherer lag im Jahr 2023 beim 1,4-fachen des Marktdurchschnitts. Sie generierten laut unseren Analysen nicht nur 35 Prozent mehr digitale Leads pro Vermittler, sondern konvertierten diese auch effektiver in Kunden. Ihre Lead-Konversationsrate lag 7 Prozentpunkte über dem Wettbewerb und sie schlossen 25 Prozent mehr Verträge pro Kunde ab. Gleichzeitig war ihr Betreuungsaufwand pro Vermittler um 10 bis 20 Prozent niedriger. Im Gegensatz zu der starken Leistung und hohen Effizienz der führenden Anbieter stagnierte die Produktivität der schwächsten Vertriebe.

Worauf ist der Erfolg der Top-3-Versicherer zurückzuführen?

Dr. Malte Reineke: Die produktivsten Anbieter verfolgen einen ganzheitlichen und auf ihre Stärken angepassten Beratungsansatz. Sie generieren zusätzliche Leads über digitale Kanäle und nutzen strategische Türöffner-Produkte, um neue Kunden zu gewinnen. Dank Investitionen in moderne CRM-Lösungen können hybride Kundenreisen kanalübergreifend besser nachverfolgt und zukünftig ganzheitlich bespielt werden. Die Analyse dieser Daten ermöglicht, Maßnahmen und Prozessen kontinuierlich zu optimieren. Darüber hinaus setzten die Top-3-Versicherer zunehmend auf Spezialisten und professionelle Agenturen, statt auf eine allgemeine Betreuung durch Generalisten. Trotz des Fachkräftemangels konnten die von den Top-3-Versicherern unterstützten Agenturen die Anzahl ihrer Vermittler jährlich um 4,5 Prozent erhöhen. Im Branchendurchschnitt geht sie hingegen um 1,5 Prozent pro Jahr zurück, was nicht zuletzt auf rückläufige Bewerberzahlen zurückzuführen ist.

Was können Versicherer gegen den Fachkräftemangel unternehmen?

Ingo Janisch: Das Berufsbild ändert sich – mit Konsequenzen für das Recruiting. Das veränderte Jobprofil muss besser kommuniziert werden, um das Berufsbild attraktiver für jüngere und diverse Zielgruppen zu machen. Die Tätigkeit als Vermittler wird längst nicht mehr von aufwendiger Kaltakquise geprägt. Versicherer haben große Kundenbestände, deren Betreuung eine anspruchsvolle, kundenorientierte Dienstleistung darstellt. Neben attraktiven Karriere- und Verdienstmöglichkeiten bieten Ausschließlichkeitsvertriebe auch ein hohes Maß an Flexibilität. Vermittler sind in der Regel weder an ein Büro noch an feste Zeiten gebunden. Dies sollte insbesondere im Wettbewerb um junge Talente betont werden. Der niedrige Frauenanteil von unter 20 Prozent in der Branche verdeutlicht außerdem, dass Recruiting-Strategien angepasst werden müssen. Die Automatisierung von Routinetätigkeiten durch Künstliche Intelligenz (KI) bietet ebenfalls großes Potenzial, um die Attraktivität der Branche zu erhöhen.  

Wie nutzen Versicherer KI bisher im Vertrieb?

Dr. Malte Reineke: Die Nutzung von KI im Vertrieb beschränkt sich unter den Benchmarking-Teilnehmern bisher auf einzelne Anwendungsfälle. Obwohl 90 Prozent von ihnen überzeugt sind, dass KI den Agenturvertrieb unterstützen könnte, gibt es bei den meisten noch keine gesonderten KI-Strategien für den Vertrieb. Sie stehen vor verschiedenen Herausforderungen, die es vor einer breiten Einführung von KI-Technologien zu überwinden gilt. Etablierte Prozesse anzupassen und die Daten für die Nutzung von KI aufzubereiten, ist häufig mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Darüber hinaus muss gewährleistet werden, dass regulatorische Vorgaben für IT-Sicherheit und Datenschutz erfüllt werden. Die Implementierung von KI-Technologien wird zusätzlich durch den Mangel an qualifizierten IT-Fachkräften erschwert.

Wie können Vertriebsverantwortliche bereits jetzt ihre Vertriebskraft steigern?

Ingo Janisch: Das Benchmarking zeigt, dass einige Versicherer ihre Produktivität auch ohne den Einsatz von KI-Technologien signifikant erhöhen konnten. Zu den wichtigsten Themen gehört dabei die Schärfung der Strategie und der Fokus auf Kernkompetenzen. Ebenfalls entscheidend ist die fortschreitende Digitalisierung der Agenturen sowie ein kanalübergreifender Beratungsansatz, der das Agenturmodell und zentrale Serviceeinheiten nahtlos integriert. Es gilt einen „Lead Engine“ aufzubauen, der Leads für die Agenturen generiert sowie eine spezialisierte Betreuungsorganisation, um diese gezielt zu unterstützen. Die verfügbaren Daten sollten kontinuierlich analysiert werden, um die Entwicklung von Organisation, Agenturen und Recruiting zu steuern. Kurzum: Wir sehen enormes Potenzial im Vertriebsweg der Ausschließlichkeit und gehen davon aus, dass moderne Technologien wie KI dieses noch steigern werden.

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