Brief
Jahrelang galt: Frauen schätzen Flexibilität im Berufsleben mehr als Männer. Männer streben danach, Karriere zu machen. Frauen wollen mehr, so die gängige Ansicht. Eine aktuelle Bain-Studie, für die 1.500 junge MBA-Studenten und -Absolventen der besten Business Schools in den USA befragt wurden, hat diese Annahme auf den Kopf gestellt. Bei der Work-Life-Balance findet längst eine Gleichstellung statt. Nahezu gleich viele Frauen und Männer mit MBA-Plänen beabsichtigen ihrem Leben außerhalb der Arbeit eine höhere Priorität einzuräumen als dem beruflichen Aufstieg. Männer wie Frauen sehen den Kompromiss zwischen ihrer beruflichen Entwicklung und anderen Prioritäten im Leben als größtes Hindernis, um ihre Karriereziele zu erreichen.
Ein erfülltes Leben durch Work-Life-Balance
Die Studie zeigt weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern auf. So erhoffen sich Männer wie Frauen bessere Karrierechancen und mehr Fachwissen von ihrem Studium an einer Business School, zudem streben sie nach dem Abschluss ähnliche Positionen an. Nahezu gleich viele Frauen (69 Prozent) wie Männern (68 Prozent) möchten Karriere bis ins Topmanagement machen. Auch der Wunsch, neben dem Beruf mehr Zeit für die Familie und andere außerberufliche Aktivitäten zu haben, ist bei beiden Geschlechtern gleich ausgeprägt. MBA-Studenten beantworten die Frage, was sie beruflich und privat erreichen möchten, heute ganzheitlicher. Sie konzentrieren sich nicht nur auf ihren Karriereweg, sondern wollen ein erfülltes, facettenreiches Leben führen.
Die größte Veränderung bei den Millennials: Frauen wie Männer sehnen sich nach einem Leben, das sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Bestehende geschlechtsspezifische Unterschiede werden kleiner. Zudem bekennen sich heutzutage beide Geschlechter zu Anliegen, die bislang als eher „frauenspezifisch“ wahrgenommen wurden. Mit ihrem Wunsch nach Chancengleichheit sehen sich Männer heute nicht nur in der Führungsriege, sondern auch als künftige Väter. So ergab die Studie etwa, dass 80 Prozent der Frauen und fast 70 Prozent der Männer davon ausgehen, dass sie sich nahezu zu gleichen Teilen aktiv an der Kindererziehung beteiligen werden.
Karriere nicht mehr auf Kosten des privaten Erfolgs
Angesichts dieses Wandels haben Anbieter von MBA-Studiengängen ebenso wie Arbeitgeber zwei Möglichkeiten: Sie können sich an die neuen Prioritäten anpassen oder laufen Gefahr, in Zukunft für talentierte Absolventen uninteressant zu sein. Unternehmen und auch MBA-Schulen können es sich nicht leisten, den Wunsch nach einem ausgewogenen Berufs- und Privatleben zu ignorieren oder als Frauenthema abzutun. Sowohl Männer als auch Frauen werden diejenigen Ausbildungs- und Karrierepfade wählen, die ihnen die Chance auf beruflichen und privaten Erfolg bieten. Hochschulen und Unternehmen, die ihre Führungsetage weiterhin mit MBA-Absolventen besetzen wollen, müssen den veränderten Prioritäten Rechnung tragen – oder damit leben, dass talentierte Mitarbeiter sich künftig gegen sie entscheiden werden.